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Goldman Sachs erwarb Anleihen der venezolanischen Ölgesellschaft PDV zum Schleuderpreis. Ein Indiz dafür, dass der Finanzkonzern mit einer Besserung der Lage im Krisenstaat rechnet.

6. Juni 2017 / 11:00 Uhr

Beruhigung in Sicht? Goldman Sachs steigt billig in Venezuelas Ölgeschäft ein

Seit über zwei Monaten kommt Venezuela nicht mehr zur Ruhe. Menschenmassen bevölkern die Protestmärsche, zu denen das Oppositionsbündnis MUD (Mesa de la Unidad Democrática = Tisch der demokratischen Einheit) täglich aufruft. Bolivarische Polizei und Nationalgarde sind unablässig im Einsatz, und die Proteste entwickeln sich zu veritablen Straßenschlachten.

Gestbeitrag von Michael Johnschwager

Aufgebrachte Venezolaner werden auf der hauptstädtischen Autobahn Francisco Fajardo (Cota Mil) zurückgedrängt. Viele Konfrontationen entladen sich in deren östlichen Abschnitt, im wohlhabenden Teil der Kapitale. Aber zunehmend beteiligen sich Gruppen aus den ärmeren Vierteln des westlichen Caracas. Dabei kommt es regelmäßig zum Einsatz mehrerer Wasserwerfer, von den Demonstranten Ballenas (Wale) tituliert. Polizisten und Soldaten feuern chemische Kampfstoffe auf Regierungsgegner.

Ärzte versorgen verletzte Demonstranten

Die mit unerbittlicher Härte ausgefochtenen Zusammenstöße fordern stets zahlreiche Opfer. Ärzte, unterstützt von Studenten der medizinischen Fakultät der Universidad Central de Venezuela (UCV), bekunden praktische Solidarität mit ihren Landsleuten. Sie haben sich zusammengeschlossen in der Gruppe Grünes Kreuz (Cruz Verde) und versorgen verletzte Demonstranten an Ort und Stelle, soweit dies die Umstände zulassen.

Bargeld-Abschaffung als Auslöser der Proteste

Während wirtschaftlich stabil aufgestellte Venezolaner selbst kleine Beträge des täglichen Bedarfs per Kreditkarte begleichen, bezahlt die große Masse nach wie vor mit Bargeld. Noch immer ist eine immense Menge an 100 Bolívares-Banknoten im Umlauf. Diese sollten bereits im Herbst 2016 aus dem Verkehr gezogen werden. Am 20. Mai verlängerte Staatschef Nicolás Maduro die Akzeptanz um weitere 60 Tage bis zum 20. Juli 2017. Damit musste die Gültigkeit dieser Banknote zum siebten Mal verlängert werden.

Madura auch im eigenen Lager unter Druck

Die Einschläge kommen für Maduro bedrohlich näher, sogar aus dem eigenen Lager. Generalstaatsanwältin Luísa Ortega Díaz – sie stand bisher für einen regierungskonformen Kurs – bekräftigte ihre ablehnende Haltung gegenüber der von Maduro beabsichtigten Verfassungsgebenden Nationalen Versammlung (Asamblea Nacional Constituyente). Daran bestehe kein Bedarf; die „Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela“ erfülle alle Erfordernisse. Sie geht auf Betreiben von Maduros Amtsvorgänger „Comandante“ Hugo Chávez zurück und wurde am 24. März 2000 beschlossen.

Goldman Sachs kauft sich billig in Ölgesellschaft ein

Nachdenklich stimmen auch Verlautbarungen aus New York. So wurde bekannt, dass das Geldhaus Goldman Sachs Anleihen der staatlichen Erdöl-AG Petroleos de Venezuela S.A.(PDV) im Nennwert von rund 2,8 Milliarden US-Dollar zu einem quasi Schnäppchenpreis erworben habe. Das Wall Street Journal berichtete von einem Abschlag in Höhe von 69 Prozent. Diese Transaktion kritisierte Julio Borges, Oppositionsführer im Parlament  Asamblea Nacional, ungewöhnlich scharf.

Und noch eine Nachricht aus dem Umfeld der Wall Street lässt aufhorchen. Bloomberg, ein in Finanzfragen versierter Mediendienst, ermuntert Investoren ausdrücklich zu einem Engagement in Venezuela. Ein vielsagender Wink mit Projektion auf die künftige Entwicklung des Landes mit den weltweit größten Erdölreserven. Ein Faustpfand, auch wenn tendenziell ein weiterer Rückgang der Erlöse aus dem schwarzen Gold zu erwarten steht.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig.

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