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Sebastian Kurz – Aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge Mitterlehners. Wird er Politik für Österreich machen oder – wie seine Vorgänger – im Sinne der EU-Mächtigen handeln?

10. Mai 2017 / 17:25 Uhr

Noch mehr Willkommenskultur oder Flüchtlinge auf die Asylinsel: Wie glaubwürdig ist Kurz?

Nach dem überraschenden Rücktritt Reinhold Mitterlehners als Parteiobmann steht die ÖVP vor der Frage, wer ihr neuer Bundesvorsitzender wird. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der derzeitige Außenminister Sebastian Kurz. Dies scheint auf den ersten Blick eine für Österreich positive Entwicklung zu sein, da sich Kurz in jüngster Zeit sehr deutlich gegen die illegale Masseneinwanderung aussprach und auch mit konkreten Vorschlägen aufhorchen ließ. Er forderte Asylzentren auf griechischen Inseln beziehungsweise wenn möglich, Migrantenboote schon auf See abzufangen und nach Afrika zurückzubringen. Außerdem trat er für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst ein.

Doch wie glaubwürdig ist diese zuwanderungs- und islamkritische Haltung von Kurz? Handelt es sich um eine durchgängige Einstellung oder richtet er sein Fähnchen nach dem Wind? Inwiefern ist damit zu rechnen, dass seine Vorschläge mit ihm als ÖVP-Vorsitzenden wirklich umgesetzt werden? Die jüngsten Entwicklungen in der ÖVP geben Anlass, sich mit diesen Fragen näher zu befassen.

Kurz forderte mehr Willkommenskultur

Im Gegensatz zu seinen heutigen Positionen trat Kurz in der jüngeren Vergangenheit mehrmals als Unterstützer der Willkommenskultur und der Zuwanderung auf. Im November 2014 sagte er in einem Interview mit der ORF-Sendung ZIB24, jeder, der hier wohne, solle sich in Österreich heimisch fühlen. Er beklagte, dass das bei vielen Zuwanderern noch nicht so sei und sah die Ursache darin, dass es in Österreich zu wenig Willkommenskultur gebe.

Kurz nährte den Mythos der zuwandernden Fachkräfte

Anfang des Jahres 2015 sagte Sebastian Kurz bei einer Veranstaltung in Gerasdorf bei Wien diesen Satz: „Der durchschnittliche Zuwanderer von heute ist gebildeter als der durchschnittliche Österreicher.“ Nachdem unzensuriert diesen Satz aufgedeckt und Walter Rosenkranz (FPÖ) ihn im Parlament zum Thema gemacht hatte, verteidigte Kurz seine Aussage und bezog sich dabei auf zugewanderte EU-Bürger.

Tatsächlich weisen Zuwanderer aus EU-Staaten einen höheren Anteil an Akademikern auf als Österreicher. Der durchschnittliche Zuwanderer von heute ist jedoch spätestens seit 2015 nicht der EU-Bürger, sondern der illegale Einwanderer von außerhalb Europas. Im Jahr 2015 kamen nämlich nur 96.000 Personen aus der EU, während 118.500 von außerhalb der EU nach Österreich zuwanderten.

Diese Zuwanderergruppe berücksichtigte Kurz bei seinem Sager jedoch überhaupt nicht. Damit ist die Äußerung von Kurz eine grobe Verdrehung der Tatsachen, da sie suggeriert, bei den illegalen Einwanderern würde es sich um besonders gebildete Menschen handeln, und damit den Mythos der Multikulti-Befürworter von den Asylanten als Fachkräften weiter nährt.

Noch 2015: Kritik an Osteuropa und Forderung nach „Euro-Islam“

Noch Mitte 2015, am Höhepunkt der Zuwanderungswelle, ließ Kurz in einem Standard-Interview ebenfalls mit Äußerungen aufhorchen, in denen seine Unterstützung der Masseneinwanderung deutlich wurde. Er zeigte sich stolz darauf, dass Österreich die „Flüchtlinge“ im Vergleich zu osteuropäischen Ländern ordentlich behandle. Damit kritisierte er indirekt Viktor Orbán für dessen konsequente Ablehnung der Massenzuwanderung. Heute ist Kurz angeblich anderer Meinung und lobte Orbán kürzlich sogar.

Er sagte auch in Bezug auf die Zuwanderer: „Da gilt für mich, dass wir ganz klar unseren Weg der Integration weitergehen. Was wir wissen müssen, ist, dass diese Menschen allesamt unser Land nicht mehr verlassen werden.“ Es geht jedoch aus dem Interview nicht klar hervor, ob sich Kurz hier nur auf die legal in Österreich lebenden Zuwanderer und deren Nachkommen bezieht, oder die illegalen Einwanderer der jüngsten Zeit miteinschließt.

Ebenfalls in diesem Interview sagte Kurz, dass es sein Ziel sei, einen „Islam mit europäischer Prägung zu schaffen, einen Islam im Einklang mit unseren Werten und Gesetzen“. Dass der Islam für ihn „selbstverständlich“ zu Österreich gehöre, hatte Kurz schon im Jänner 2015 klargemacht.

Stresstest der FPÖ nicht bestanden

Im Verlauf der Massenzuwanderung kam es bei Sebastian Kurz zumindest nach außen hin zu einer deutlichen Wandlung. Er trat plötzlich nicht mehr für mehr Willkommenskultur ein und sah die Zuwanderer offenbar auch nicht mehr als die Fachkräfte von morgen. Vielmehr lobte er plötzlich die Schließung der Balkanroute und forderte die bereits eingangs erwähnten Asylzentren auf griechischen Inseln. Es schien, als sei Kurz plötzlich komplett auf FPÖ-Linie umgeschwenkt. HC Strache kritisierte ihn dafür als „Plagiator” und sprach von einem „klassischem Fall von Produktpiraterie“.

Um zu testen, inwieweit der plötzliche Sinneswandel Kurz’ auch von der ÖVP mitgetragen wird, führte die FPÖ am 29. März 2017 einen so genannten „Stresstest” für Kurz im Parlament durch. In einem Entschließungsantrag stellte die FPÖ die wichtigsten Forderungen, die Kurz bis dahin geäußert hatte:

  • Unterbringung von Asylanten während ihres Asylverfahrens auf Inseln nach dem Vorbild Australiens
  • Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei
  • Ablehnung höherer EU-Beiträge wegen des Brexits
  • Keine Sozialleistungen für EU-Ausländer in den ersten fünf Jahren
  • Kopftuchverbot für Beamte

Die ÖVP-Mandatare lehnten damals sämtliche dieser Forderungen ab.

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